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D-Bulletin Nº 8 – 2024, die Fassade

Smarte Gebäudehülle

Die vorgehängte, hinterlüftete Natursteinfassade von Gebäude D wird aussehen wie bei den Gebäuden aus der 1. Etappe. Ihr sichtbarstes Merkmal ist der helle Kalkstein. Doch sie ist anders aufgebaut. Über ein wichtiges Gestaltungselement im öffentlichen Raum sowie intelligente Lösungen in Planung und Konstruktion für mehr Effizienz und Qualität.

Den ersten Eindruck von einem Gebäude liefert seine Fassade. Sie macht es unverwechselbar, so wie jeder Mensch ein individuelles Gesicht hat, das ihn kennzeichnet. Die Anlehnung an das lateinische Wort «facies», was mit äussere Erscheinung oder auch Gesicht übersetzt werden kann, ist daher ganz passend. Oft wird die Gebäudehülle auch mit einer Haut verglichen, die schützt und reguliert. Michael Stedtler spricht vom Kleid. Der Fassadenplaner sagt: «Ich bekleide das Haus». Und zwar so, dass diese technische Kleidung in Aussehen und Funktion das leisten wird, was der Architekt sich vorgestellt hat.

Die Fassade ist nicht nur optisch prägend. Die Aufgaben der Gebäudehülle sind vielfältig. Sie schützt vor Wärme und Kälte, gegen Nässe und Wind. Sie reguliert, wie viel Sonnenlicht ins Gebäude gelangen soll und den Ein oder Ausblick über die Fenster. Bei Gebäude D sind Lastabtragung und Raumabschluss getrennt. Der Skelettbau aus Beton ist tragend und lastableitend. Die Fenster sowie die Fassade schützen und schmücken den Gebäudekörper als grossflächiges Kleid.

Von den konstruktiven Finessen und Herausforderungen der Elementfassade ist auf der Baustelle auf den ersten Blick wenig zu spüren. Scheinbar mühelos setzen Monteure routiniert die grossen Fenster zwischen die Stützen und dichten sie ab. Sie befestigen die Unterkonstruktion Stockwerk für Stockwerk, an die danach die Wärmedämmung und 4’500 Natursteinplatten montiert werden. Der Prozess orientiert sich am geplanten Raster und den einzelnen Fassadenmodulen. Über 7’000 Quadratmeter Fassadenfläche werden es am Ende sein. Die Handgriffe sitzen wie in einer hochtechnisierten Fertigungsstrasse für Autos; jeder Arbeitsschritt ist effizient gestaltet und für dieses Projekt optimiert.

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Schaufenster in die Erdgeschichte

«Diese Fassade ist Teil eines Ensembles», sagt Andrew Hall. Der Architekt steht vor dem Baubüro, links von ihm Gebäude A aus Etappe 1, rechts von ihm Gebäude D: «Um einen einheitlichen Ausdruck, eine gewisse Ordnung und Ruhe auf dem Gesamtgelände des Verwaltungszentrums sicherzustellen, haben wir den gleichen Stein wie in der ersten Etappe verwendet.» Naturstein ist ein bewährter Werkstoff. Der geschliffene «Jura Kalkstein» war nicht von Anfang an klar, auch wenn das Berner Stadtbild von steinigen Fassaden geprägt ist. Gewicht und Kosten führten zu ersten Ideen, mit Faserbeton zu gestalten.

Doch der hätte sich nicht gut ins städtische Umfeld eingefügt. Vor allem, wenn ein neues Ensemble entsteht. «Faserbeton war zu steril. Naturstein bringt Lebendigkeit, er steht für die Perfektion der Imperfektion», so Hall. 40 Millimeter dick, rund 40 Kilo schwer warten die einzelnen Platten auf dem Steinhauergerüst, Klasse 6, geeignet fürs Lagern so vieler Steine, auf die Montage. In den Platten sind Ammoniten und Krebstiere eingeschlossen, grössere Steine und Sand.

Die Natur hat gestaltet, der Mensch erntet und verbaut das Ergebnis. Das Naturmaterial kommt aus einem Steinbruch in Dietfurt (Süddeutschland). In der dicken Kalkplatte der südlichen Frankenalp sind auf rund 40 Lagen Gesteinsarten aus verschiedenen Erdzeitaltern zu finden. Für die Gebäude am Guisanplatz wurden die Steine aus Lage 17 gebrochen. Im Weissen Jura vor zirka 150 Millionen Jahren geformt, ist das Material heute bekannt als Dietfurter Kalkstein. (Bildreportage zum Stein siehe Seite 5 ff.).

Kein neues Material, dafür eine neue Funktion. «Wir haben hinterfragt, was wir in der ersten Etappe gemacht haben und was wir besser machen könnten», sagt Andrew Hall. In die Fassade sind nun auf jedem Stockwerk Loggien integriert, auf denen die Mitarbeiter/innen eine Pause machen können. Man sieht diese mit einem Staketengeländer gesicherten Balkone nicht sofort. «Aber wenn man sich Zeit nimmt, gibt es Überraschungen und Finessen, die Tiefe in die Fassade bringen», sagt Andrew Hall. Besser gelöst sei auch die Unterkonstruktion.

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Andrew Hall, Architekt bei Aebi & Vincent Architekten, hat das Gebäude entworfen. Für ihn muss die Fassade bis auf die Erde gehen. So bekommt das Gebäude einen festen Bezug zum Stadtboden.

Die Ästhetik der Funktionalität

Technische Aspekte wie Dämmstärke, Flexibilität für zukünftige Anpassungen, Sicherheit in der Befestigung hat Michael Stedtler definiert. Der Metallbaukonstrukteur arbeitet als Fassadenplaner in Brügg für Prometplan AG und hat 50 Jahre Berufserfahrung. In der Planung ist unter anderem wichtig, dass die Unterkonstruktion richtig ist, dass sie das Gewicht der Steine trägt und die natürliche Ausdehnung von Metall, Glas und Stein auffangen kann. Doch auch Erfahrungswissen kommt bei so komplexen Projekten an eine Grenze. «Die Fassade ist immer ein Einzelstück, weil sie für das jeweilige Gebäude entwickelt wird», sagt er. «Wenn der Architekt sagt ‹Ich will das so› und ich antworte ‹Das geht nicht› dann wird es interessant! Weil wir in dem Moment beginnen, gemeinsam zu gestalten. Umsetzung und Kontrolle sind dann Fleissarbeit».

Gebäude D hat drei planerische Besonderheiten: Die Loggien mussten eingebunden werden, die Steckdornverbindung mit Dehn- und Rotationsmöglichkeit für die Steinaufhängung die der Steinlieferant vorgibt, war zu integrieren, und die 700 m2 Dachverglasung brauchten eine Wasserrinne, die Regenwasser über die gesamte Gebäudelänge richtig abführt.

Michael Stedtler ist aktuell regelmässig auf der Baustelle. Die Planung, die Ausschreibung und die Genehmigungspläne haben über die letzten vier Jahre Form und Gestalt angenommen. Jetzt kontrolliert er für die Bauleitung die Arbeit der Fassadenbauer und leistet damit den unabhängigen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Bauausführung.

Oben auf dem Gerüst, auf der Höhe des 2. Obergeschosses, steht Simon von Sonnenberg, 31 Jahre alt, in gelber Sicherheitsweste vor einem Fenster. Auf dem Gesicht das zufriedene Lächeln eines Tüftlers, der in diesem Projekt innovativ sein durfte, um komplizierte Details zu lösen. Von Sonnenberg ist beim Fassadenspezialist Fahrni AG als Projektleiter für die Systementwicklung der Fenster, die Produktion und Montage der Unterkonstruktion sowie die grossen Fenster über dem Atrium zuständig. «Wir haben bei Gebäude D viel anders gemacht, als in der ersten Etappe. Die Fassade ist komplex und wir wollten Bauphysik, Statik, Ästhetik und Wirtschaftlichkeit ideal zusammenbringen», sagt er, schaut nach unten auf den Vorplatz vor dem Baubüro und zeigt auf ein stapelbares Transportgestell, das es so bislang nicht gab. Die grossen Fensterelemente sind in Lyss vorgefertigt.

Ohne dieses neue Gestell, hätte man sie einschweissen und auf einer Freifläche zwischenlagern müssen. Die neuen Gestelle sind stapelbar und funktionieren wie ein temporäres Hochregallager in einer Produktionshalle von Fahrni. Einschweissen in Plastik entfällt. Dazu entwickelte von Sonnenberg einen Transportwagen für die Logistik seiner Bauteile auf der Baustelle, und er rüstete die Maschine um, um die Fenster schneller versetzen zu können: «Ich habe im Vorfeld gesehen, dass die Baustellenlogistik neu überlegt werden muss, um Lagerfläche effizienter zu nutzen, die Baustellenfahrten der Lkw zu reduzieren und vor Ort das Einsetzen der Fenster zu erleichtern».

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Formschlüssigkeit als Weg zu Wirtschaftlichkeit

Simon von Sonnenberg ist gelernter Metallbauschlosser EFZ, ausgebildeter Metallbaukonstrukteur und Metallbautechniker HF. Er kennt sein Material und hat nicht nur Spass an Optimierung in der Logistik, sondern auch für die Fassadenmodule und die Verbindungstechnik. Beispiel Fenster: sehen aus wie die Fenster der ersten Etappe, setzen sich allerdings ganz anders zusammen. «Wir haben das Fenster ganz neu designt», sagt er. Die Profilstangen für die Fenster aus stranggepresstem Aluminium sind zugeliefert. Die sechs bis acht Meter langen Profile werden bei Fahrni zugeschnitten und inhouse auf vier Produktionsstrassen zu Fenstern zusammengefügt – eine Eigenentwicklung der Fahrni AG. Für die Pulverbeschichtung kommt die neue Farben Technologie «Effektives» der Firma IGP Powder Coatings zum Einsatz, bei der überschüssiges Pulver nach dem Beschichtungsprozess zurückgewonnen werden kann. 30 Prozent Material werden eingespart, was für Gebäude D etwa 1’000 m2 Fläche entspreche.

Die neue Bauweise mache den Prozess materialärmer, sicherer, die Fenster seien dichter und weniger gegen Mängel anfällig. «Wenn wir ein kompliziertes Element konstruieren, ist das Risiko gross, dass es nicht funktioniert, wie wir möchten», erklärt Simon von Sonnenberg. «Wir konnten die Prozesssicherheit erhöhen und die Dichtigkeit vom Fassadenelement verbessern»

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Vorgefertigte, gestapelte Dämmelemente. Sie werden an der Fassadenunterkonstruktion eingehängt.

Anders gesagt hat Simon von Sonnenberg den Prozess durch maximale Vorfertigung maximal optimiert. Neben den Fenstern zählen hier zur Fassade die Fassadenunterkonstruktion, die Storen, der Stein. Die Unterkonstruktion aus verzinktem Stahl wird in die Betondecken eingedreht und kommt ohne Schrauben aus. An ihr ist die Dämmung eingehängt, an der wiederum die Steine eingesteckt werden. «Wir konnten so viele Verbindungen wie möglich formschlüssig, also ohne Verbindetechniken wie schrauben, schweissen oder dübeln gestalten», sagt von Sonnenberg. «Formschlüssig zu arbeiten ist selten, weil es aufwendig ist. Es macht unsere Arbeit jedoch einfacher, sicherer und wir sparen Material.»

Die Fenster sind in diesem System in eineinhalb Minuten eingesetzt. Sie werden in der linken unteren Ecke verschraubt. Oben rechts sind sie mit einem Los Festlager montiert, sodass Vibrationen und natürlich auftretende Materialspannung ausgeglichen werden können. Die Isolation zwischen Rahmen und Wand ist vorgeschnitten und ohne Fachisoleur zu montieren. Die Profile der Unterkonstruktion sind mittlerweile statt vier nur noch drei Millimeter stark, was einer Materialeinsparung von 25 Prozent entspricht, ohne Sicherheit einzubüssen. Hieran sind die Dämmung und die Steine verankert. Alle Platten werden verfugt und anschliessend mit einer Osmose-Wasser-Mischung abgestrahlt, was die Steine reinigen und zu einem einheitlichen Fassadenbild führen wird. Zuletzt werden die bei Warema produzierten Storen eingesetzt – auch das ein Klick-Mechanismus.

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Simon von Sonnenberg ist Projektleiter bei Fahrni AG. Er und sein Team haben die Fassadenkonstruktion gebaut und verantworten Fenster, Dämmung, Steinplatten und Storen.

Die Kunst, Abhängigkeiten zu gestalten

1’200 Fenster, mindestens 5’000 Fassadenteile, werden in der Zeit von Januar bis Oktober 2024 versetzt. Die Qualitätskontrolle der Arbeit des Fassadenbauers liegt neben Michael Stedtler bei Peter Siegenthaler. Der Bauleiter vom Gesamtplaner Aebi & Vincent macht Stichprobenkontrolle und prüft die Abnahmeprotokolle des Fassadenbauers. Vor allem aber ist er mit Terminierung und Koordination beschäftigt. Die Fassadenarbeit ist aufgrund der Wetterlage anspruchsvoll und ein Qualitätsfaktor. «Wenn es regnet oder zu heiss ist, können wir manche Arbeiten nicht ausführen und wenn jemand warten muss, ist das mit Kosten verbunden», so Peter Siegenthaler. Wirtschaftlichkeit beginnt also zum Beispiel beim täglichen Blick auf die Wetter-App. «Gebäudehülle ist anspruchsvoll, weil so viele Abhängigkeiten zu berücksichtigen sind», sagt er. Jeder Unternehmer denke für sich: Der Fassadenbauer montiert Unterkonstruktion, die Monteure vom Steinlieferant die Steine, der Flachdachbauer dichtet ab. Doch in Wahrheit hat alles, was das Flachdach betrifft auch Auswirkung auf die Fassade und umgekehrt.

Siegenthalers tägliche Kernaufgabe ist es daher zu fragen: Wer macht was wann? Zeit, Wetter, Abläufe bekomme man vor allem mit Erfahrung und Weitsicht koordiniert. Siegenthaler arbeitet im Baubüro auf der Baustelle. Von seinem Fenster aus sieht er den täglichen Baufortschritt und kann Details schnell und einfach klären. Wichtiges Instrument in den Abstimmungsprozessen seien die wöchentlichen Bausitzungen. Jeden Dienstagnachmittag sitzen Andrew Hall, Michael Stedtler, Simon von Sonnenberg, Kurt Stapfer vom Flachdachbauer Durrer und Peter Siegenthaler zusammen und besprechen die gemeinsamen Abläufe. Dazu gehören so unscheinbar scheinende Aspekte wie, dass an heissen Tagen nur zwischen 7 und circa 11 Uhr gewisse Abdichtungen erledigt werden können. Die Dachpappe kann zwar bei hohen Temperaturen verschweisst werden, das macht die Arbeit bei zusätzlicher Hitze des Gasbrenners aber fast unerträglich. Hingegen, wenn es viel regnet, kann nicht isoliert und abgedichtet werden. «Die Chemie im Team muss stimmen. Das tönt floskelhaft, ist aber enorm wichtig», sagt Siegenthaler. «Wir probieren immer, einander zu helfen. Nur dann geht es allen gut.»

Wann ist die Gebäudehülle nachhaltig?

Für die Zertifizierung mit dem Label SNBS Platin sind viele der beschriebenen Prozessschritte unerlässlich. Soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit zeigt sich in Verbesserungen wie Materialeffizienz, Langlebigkeit oder weniger Lkw-Fahrten im Quartier durch prozessoptimierte Planung.

Patricia Bürgi, CSD Ingenieure AG, ist auf Nachhaltigkeit spezialisiert. Sie prüft, dass die SNBS Kriterien bei Gebäude D berücksichtigt und die Arbeiten gemäss Ausschreibung umgesetzt werden. Ihr Anliegen ist «eine Fassadenverkleidung von guter Qualität», damit das Gebäude unterhaltungsarm über seine Lebenszeit kommt. Gute Qualität ist, wenn die Bauteile leicht trennbar sind, schichtweise Neuerungen möglich und die durch die Unterkonstruktion hinterlüftete Fassade ein gutes Gebäudeklima fördert. Können sich die Steinplatten problemlos dehnen, entstehen keine Schäden durch zum Beispiel Mikrorisse. Bei Gebäude D sind sie mit einer Edelstahl Steckdornverbindung befestigt. Das Dehn- und Rotationsgelenk führt dazu, dass der Stein weniger anfällig ist für Bruch. Geht doch mal etwas kaputt, können einzelne Platten ausgetauscht werden.

Auch die Materialstärke ist ein Nachhaltigkeitskriterium. Je weniger Material man brauche, desto besser. Könnte es nicht also auch ein leichteres Material sein? Die Antwort ist: nein. Bauphysikalisch hat Stein grosse Vorteile (siehe Interview mit Elias Röthlisberger, S. 13). Und ein anderes Fassadenbild ins bestehende Ensemble einzubringen wäre gestalterisch nur schwer umsetzbar. Und dann sei natürlich das Material selbst ökologisch: Stein ist ein Naturprodukt. Wie nachhaltig es ist, steht und fällt mit dem Transportweg und dem Grad der Bearbeitung. In Zukunft wird noch mehr Gewicht daraufgelegt werden, mit Ressourcen aus der näheren Umgebung zu bauen, um kurze Wege zu haben. Für Gebäude D gab es keinen Stein ähnlicher Qualität und Güte, der auch in der Schweiz abgebaut werden könnte. Planer Michael Stedtler bestätigt: «Der Stein ist ästhetisch, wartungsfrei und hat eine hohe Lebensdauer.»

Die Bearbeitung erfolgt wie geplant. «Für mich sind die korrekten Materialien wichtig», sagt Patricia Bürgi. Keine Belastung der Raumluft, keine Anstriche für Witterungs- und Graffitischutz, die Biozide enthalten.

Tageslicht als Qualitätskriterium

Zur Fassade gehört auch das Dach. Es ist das Gesicht gegen den Himmel. Bei Gebäude D überspannen Dachfenster den Innenhof. Pyramidenartige, geschweisste Stahlblechträger bilden Oberlichter, in die auf fast 80 Meter Länge über 600 m2 Glas verbaut sind. Durch sie wird das Atrium mit Sonnenlicht beleuchtet. Ohne Wärme hindurchzulassen und die Energieeffizienz zu beeinträchtigen, bleiben mit Himmel und Licht die natürliche Umgebung spürbar. Im Oktober 2024 kann das Fassadengerüst abgebaut werden, dann ist der Meilenstein «Fassade» abgeschlossen und Gebäude D zeigt sich erstmals in seinem effizienten, robusten, natürlichen Kleid.

Interview mit Bauleiter und Junior-Bauleiter in Ausbildung

Peter Siegenthaler (56) und Severin Maibach (24)

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Peter Siegenthaler hat einen vielseitigen Berufsweg absolviert: Im Alter von 16 Jahren Ausbildung zum Hochbauzeichner und ab und zu Ferienvertretung für die Bauleitung. Nach der Weiterbildung im Baumanagement inkl. Baubuchhaltung wechselt er voll in die Bauleitung. Er ist seit 40 Jahren im Beruf und arbeitet seit 3 Jahren für Aebi & Vincent Architekten.

Severin Maibach, wie arbeiten Sie mit Peter Siegenthaler zusammen?

Wir haben die verschiedenen Gewerke aufgeteilt und unterstützen uns gegenseitig. Peter ist verantwortlich für aussen – er betreut die Arbeiten auf dem Dach und an der Fassade. Ich überwache die Plattenarbeiten, Fugenarbeiten, Maler- und Gipseraufgaben. Damit kenne ich mich ja aus.

Warum?

Ich habe eine dreijährige Malerlehre in einem Maler-Gipser-Betrieb absolviert und danach auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Dann wollte ich die Büroseite des Baugewerbes kennenlernen und machte eine KV-Ausbildung im Bundesamt für Bauten und Logistik. Es ist ein guter Zufall, dass ich nun auf einer BBL-Baustelle mitarbeiten darf!

Dieses Jahr im April haben Sie die Ausbildung zum Dipl.-Techniker HF Bauplanung begonnen. Sie gehen berufsbegleitend zur IBZ Schweizer Schule für Technik und Management, um Bauleiter zu werden.

Genau, ich übernehme gern Verantwortung und ich finde es extrem befriedigend, etwas in die Welt zu stellen – ein Gebäude zu bauen, eine Umgebung zu verändern. Was wir mitgestalten, prägt eine Strasse oder einen ganzen Stadtteil und es bleibt für Jahre bestehen. Wir arbeiten im Team, haben viel Austausch, schaffen zusammen. Und später darf ich auch führen – darauf freue ich mich.

Hilft Ihnen Ihr Handwerksberuf im Alltag?

Sehr. Ich kenne die Baustellenarbeit. Ich verstehe die Handwerker und kann deren Arbeit beurteilen.

Peter Siegenthaler sagt: «Wissenstransfer ist wichtig. Es gibt nichts Besseres, als auf der Baustelle zu sein und mitzulaufen.»

Jedes Mal, wenn mir etwas unklar ist, frage ich nach. Ich begleite, schaue über die Schulter. Wenn ich eine Aufgabe zu tun habe und dafür eine Lösung entwickeln muss, hole ich mir seine Rückmeldung ein. So weiss ich, ob ich auf dem richtigen Weg bin.

Produktion

Zu Besuch bei Lage 17

Bevor die geschliffenen Dietfurter-Kalksteinplatten an die Fassade von Gebäude D montiert werden können, ist ein aufwendiger Produktionsprozess nötig. Das Familienunternehmen Hofmann Naturstein (Gamburg, D) ist spezialisiert auf die Bearbeitung von Kalkstein, Sandstein und Graniten. Sie gewinnt ihr Naturmaterial aus dem Steinbruch der Franken-Schotter Betriebsgesellschaft, einem Zusammenschluss aus fünf Firmen, in Dietfurt.

Im Frühjahr 2023 besichtigen Vertreter von Aebi & Vincent Architekten, den Fassadenkonstrukteuren Fahrni AG und Fassadenplaner Michael Stedtler den Steinbruch und die Produktion. Vor Ort prüfen sie Oberflächenbehandlungen der Steine im Werk. Behandlungsschritte wie schleifen, bürsten, sägen, wassergestrahlt oder tellergeschliffen führen zu einer unterschiedlichen Ästhetik.

Stein ist von der Natur gemacht. Kalkstein, der für die Fassade ausgesucht wurde, entstand erdgeschichtlich im sogenannten weissen Jura, vor zirka 150 Millionen Jahren. Im Steinbruch wurde die Lage 17 von insgesamt 40 Gesteinslagen für die Fassade gewählt.

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Bemusterung

Vergleichen und entscheiden

Teil der komplexen Planungs- und Realisierungsprozesse ist die Bemusterung von Materialien.

Auf dem Werksgelände der Firma Fahrni AG in Lyss entscheiden Hanspeter Winkler, Bauherrenvertreter und Leiter Projektmanagement im BBL sowie Dieter Buri und Nadja Bützer für Generalplaner Aebi & Vincent Architekten zusammen mit Fassadenplaner Michael Stedtler und Simon von Sonnenberg, Projektleiter Fahrni AG, vor dem Eins-zu-eins-Muster über die Verglasung, die Metallprofile der Fenster, die Farbe der Metallprofile, die Lamellenstoren und die Oberflächenbearbeitung des Dietfurter Kalkstein.

Am Beispiel des Musters ist auch nachvollziehbar, wie die Details für die Gesamtfassade gelöst werden können: Graffittischutz, Fugenmörtel, Engineering und Montage der Steine, Wechseln der Lamellenstoren. Grundsätzlich gilt für Gebäude D, dass Entscheidungen aus der ersten Bauetappe übernommen werden, es sei denn, es gibt Verbesserungspotenzial. Die Oberflächenbehandlung des Steins – tellergestrahlt, siehe Bild oben, Pfeiler Mitte – wurde beibehalten. «Diese Bearbeitung überzeugt voll und ganz», sagt Hanspeter Winkler. «Sie ist ästhetisch, ehrlich im Material und stärkt die Kraft des Gebäudeensembles am Guisanplatz.»

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Bauphysik

Vorgehängt und hinterlüftet: die Natursteinfassade

Elias Röthlisberger, was ist die Besonderheit einer hinterlüfteten Natursteinfassade?

Sie ist sehr langlebig. Diese Langlebigkeit ergibt sich aus ihrem Aufbau und den Materialien. Die Steine bieten guten Schutz vor physischen und meteorologischen Einwirkungen auf die Aussenhülle und damit der Dämmschicht, und sie speichert aufgrund der grossen Masse der Steinplatten viel Wärme. Zum Vergleich: Eine Kompaktfassade aus Mauerwerk, Dämmung und Aussenputz kann durch physische Einwirkungen beschädigt und das System als solches gestört werden, wenn Feuchtigkeit hinter den Aussenputz gelangt. Ein hinterlüftetes System ist strapazierfähiger.

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Elias Röthlisberger (35) ist Projektleiter Bauphysik bei CSD Ingenieure AG. Er begleitet unter anderem den Zertifizierungsprozess für Minergie P. Während der Berufsmatur arbeitete er als Installateur und Monteur. Danach studierte er Umweltingenieur mit Fokus Gebäude, nachhaltige Energie und Ökobilanzierung. Gebäude D ist sein erstes Grossprojekt.

Wie ist die Fassade aufgebaut?

Wärme sucht sich immer einen Weg von heiss zu kalt. Im Sommer in der Regel von aussen nach innen und im Winter von innen nach aussen. Bei Gebäude D sind Steinplatten an einer Unterkonstruktion aus Aluminium aufgehängt, die die Dämmebene durchdringt und direkt auf der Beton-Skelett-Struktur befestigt ist. Diese Verbindungen müssen sauber thermisch entkoppelt sein, damit keine Wärmebrücken entstehen. Die Fenster sind «die Löcher» in der Dämmung. Ihr Wärmedämmwert ist mit einem UWert von 0.8 – 0.9 W/m2×K für Fenster sehr gut. Im Vergleich dazu hat die Fassade jedoch einen U-Wert von 0.15 W/m2×K und ist damit um ein Sechsfaches besser. Wärme, die über die Fenster ins Gebäude gelangt, speichern die Sichtbetonwände im Inneren. Das verlangsamt die Erwärmung des Innenraums. Die Wärme in den Wänden wird nachts an den Raum abgegeben, wenn dieser abkühlt. So werden Temperaturschwankungen durch die Speichermassen reduziert.

Mit Gebäude D ist das Zertifikat Minergie P angestrebt, die höchste Anforderung an Gebäudehüllen nach Schweizer Standard.

Genau, diese hohen Ansprüche muss man wollen, denn Minergie P ist freiwillig. Der Grenzwert für den Heizwärmebedarf für dieses Gebäude liegt mit 17.4 Kilowattstunden pro Quadratmeter 25 Prozent unter den kantonalen Anforderungen. Erst mit einer gut gedämmten und luftdichten Gebäudehülle können maximale Energieeffizienz und ein optimales Innenraumklima erreicht werden. Das bedeutet aber auch, dass bis zu 24 cm Dämmung notwendig sind, um auf solch niedrige U-Werte zu kommen.

Welche Schwachstellen gibt es?

Überall dort, wo verschiedene Materialien zusammenkommen, ist thermische Trennung durch Isolierung wichtig, um punktuelle Auskühlung zu verhindern. Auch die Luftdichtigkeit ist von zentraler Bedeutung. Zum Beispiel am Übergang der Aluminiumfenster zur Fassade oder auch zwischen der Unterkonstruktion aus Aluminium und der Betonstruktur. Ist das nicht beachtet, kann sich auf der Innenseite die Oberfläche zu stark abkühlen, die Bildung von Kondensat begünstigen und zu Bauschäden führen. Auch nicht luftdichte Anschlüsse können solche lokalen Auskühlungen verursachen.

Wie ist der Klimawandel bei der Fassade mitgedacht?

Es wird tendenziell wärmer. Die Kühlung von Innenräumen wird wichtiger werden. Ich denke daher, der Fokus könnte in Zukunft verstärkt auf der Eigen-Energieerzeugung für die Gebäudekühlung liegen und weniger auf der Dämmung, die in der Herstellung einen hohen Energiebedarf hat. Gebäude D hat ein zukunftsorientiertes Konzept, das Wärmeregulierung und Energieversorgung langfristig kombiniert: eine grosse Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, Erdwärme-Nutzung durch Bohrpfahlfundationen, eine effiziente Kühlung durch Kühldecken (Ausführlich hierzu D-Bulletin
Nº 7 – 2023 «Gebäudetechnik») und 3’000 Quadratmeter Steinfläche. Diese Masse ist ein gutes Mittel – Schutz gegen Lärm und wichtiges Element der Wärmeregulierung.

Chefmonteur

Marcel Meier (62)

«Mein Team und ich montieren die Unterkonstruktion. Bevor wir beginnen können, vermesse ich den ganzen Bau. Erst dann weiss ich, ob wir die vorgefertigten Elemente wie geplant anhängen können. Wenn der Baumeister das Gebäude um drei Zentimeter verschoben hat, muss ich meine Konstruktion danach richten, am Haus kann man nichts abschneiden. Auf eine Länge von 30 Meter haben wir maximal zwei Millimeter Toleranz. Diese Vorarbeit ist also wichtig. Wenn alles stimmt, ist es wie ein Legospiel – die Elemente müssen nur eingehängt werden.

Als Chefmonteur von K2 Montagen aus Glattfelden organisiere ich, dass mein Team reibungslos arbeiten kann. Aber wenn ich Zeit habe, lege ich gern selbst Hand an. Ich habe Lastwagenchauffeur gelernt, dann eine Schreinerlehre gemacht und in Winterthur Notunterkünfte aus Containern gebaut. Seit zehn Jahren bin ich jetzt als Fassaden-Monteur tätig. Mir gefällt, dass es bei unserer Arbeit hoch hinauf geht. Jedes Gebäude hat ein anderes Montagekonzept. Es gibt immer andere Probleme zu bewältigen, damit man effizient arbeiten kann.

Wir arbeiten bis 19 Uhr. Es ist für mich zu weit, nach der Arbeit nach Hause nach Rheinau im Zürcher Weinland zu fahren. Ich bleibe im Hotel. Wenn ich geduscht habe, trinke ich ein Bierchen an der Hotelbar und lasse den Tag in Ruhe Revue passieren. Ich bin ja den ganzen Tag mit den Leuten auf der Baustelle.

Ab Mitte August werde ich auf einem neuen Projekt in Zürich eingesetzt. Einen Wermutstropfen, weil ich nach drei Jahren auf verschiedenen Projekten in Bern gehe, gibt es nicht. So ist mein Job – heute hier und morgen dort.»

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Bauberufe

Wer arbeitet zurzeit hier?

  • Maurer/-in EFZ
  • Bauingenieur/-in
  • Bauarbeiter/-in
  • Dipl.-Techniker/-in HF/Bauführung
  • Architekt/-in
  • Verkehrsdienst-Auszubildende/-r
  • Bau-Polier/-in mit eidg. Fachausweis
  • Dipl.-Baumeister/-in
  • Strassentransportfachmann/-frau EFZ
  • Heizungsinstallateur/-in EFZ
  • Sanitärinstallateur/-in EFZ
  • Kältesystem-Monteur/-in EFZ
  • Lüftungsanlagenbauer/-in EFZ
  • Heizungsplaner-/in EFZ
  • Sanitärplaner/-in EFZ
  • Elektroplaner/-in EFZ
  • Gebäudetechnikingenieur/in HLKS FH und HF
  • Elektroingenieur/-in FH und HF
  • Metallbauer/-in
  • Fassadenmonteur/-in
  • Flachdachspezialist/-in
  • Gerüstbauer/-in
  • Technische/-r Kaufmann/-frau BP
  • Brandschutzmonteur
  • Abdichter/-in EFZ
  • Elektroinstallateur/-in EFZ (inkl. Lernende)
  • Montage-Elektriker/-in EFZ (inkl. Lernende)
  • Dipl. Elektroinstallateur/-in
  • Sicherheitsingenieur/-in nach EKAS
  • Spengler/-in EFZ
  • Schreiner/-in EFZ
  • Glaser/-in EFZ
  • Industrie- und Unterlagsbodenbauer/-in EFZ
  • Fugen-Facharbeiter/-in
  • Fachmann/-frau Systemdecken BP
  • Spezialist/-in Sichtbetonsanierung (Betonkosmetiker/-in)
  • Plattenleger/-in EFZ

Mehr Wissen: www.berufsberatung.ch

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Das 633 m² grosse Glasdach hat eine hohe Selektivität: Es lässt viel Licht und wenig Wärme ins Gebäude. Pyramidenförmige, geschweisste Stahlblechträger halten die Oberlichter.

Ausbildung

Nachwuchs fördern

Schüler/-innen und ihre Lehrpersonen können die Baustelle besuchen und Berufe vor Ort erleben: mehr Informationen

Video

Krandemontage

Am 19. und 20. Juni 2024 haben drei Monteure und ein Maschinenführer den 65 Meter hohen Kran demontiert. Das weithin sichtbare Zeichen der Baustelle ist weg. Ab jetzt muss die Baustellenlogistik ohne den grossen Helfer auskommen. Die Arbeit der furchtlosen Kletterer zeigt das Video.

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