Wie wird eigentlich der CO2-Fussabdruck berechnet? Ein Einblick in die Klimabilanz von Gebäuden und was Netto-Null beim Bauen konkret heisst.
«Klimafreundlich, klimagerecht oder klimaschonend bauen heisst: Der CO2-Fussabdruck eines Bauwerks fällt so gering wie möglich aus. Sowohl bei der Erstellung als auch im Betrieb sind alle bekannten Massnahmen einzusetzen, um Treibhausgase (THG) zu verhindern oder zu minimieren», schreibt Paul Knüsel einleitend in der Sonderpublikation «Transfer 1/2023 CO2-Bilanzen». Damit ist ein facettenreiches und gern schlagwortartig benanntes Megathema mit wesentlichen Stichworten umrissen: Erstellung, Betrieb, Treibhausgase verhindern, Treibhausgase minimieren.
Treibhausgasemissionen sind umgangssprachlich unter dem Begriff CO2-Fussabdruck (Carbon-Footprint) bekannt. Er fasst eine Gruppe von Gasen zusammen: Kohlendioxid, Methan, Lachgas, Stickstoff und andere. Vor allem Kohlendioxid, also CO2, gilt als umweltrelevante Grösse, weil es weltweit zum Anstieg der globalen Temperaturen beiträgt und damit das Klima langfristig verändert.
Um den CO2-Fussbadruck zu ermitteln, werden fünf Lebensbereiche betrachtet: Ernährung, Mobilität, Arbeit, Infrastruktur und Konsum. Bei der Bemessung des CO2-Fussabdrucks von Gebäuden sind in der Schweiz allerdings nur drei Bereiche relevant, nämlich Mobilität – in Bezug zum Standort des Gebäudes, Arbeit und Infrastruktur. Zur Berechnung der Treibhausgasemissionen bei Neubauten und bei Umbauten gibt es Zielwerte und Richtwerte, die eingehalten werden sollten. Orientierung für die gesamte Baubranche bietet dabei die Publikation «SIA-Effizienzpfad Energie» des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA 2040:2017).
Danach sollten pro Quadratmeter bei Neubauten der Kategorie Verwaltung 9.0 kg CO2 bei der Erstellung des Gebäudes, 4.0 kg im Betrieb und 7.0 kg für mobilitätsbezogene Emissionen pro m² Energiebezugsfläche nicht überschritten werden. Als energieeffizient gelten demnach Neubauten, die maximal 20 kg Treibhausgase pro m² auf den ober- und unterirdischen Geschossflächen eines Gebäudes erzeugen.
Verantwortung für den Lebenszyklus
Der grösste Teil der Treibhausgasemissionen entsteht während der zirka 60-jährigen Nutzung des Gebäudes. Die Energie für Heizung und Warmwasseraufbereitung wird oft mit fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas oder Erdöl erzeugt, die nicht nur Treibhausgase ausstossen, sondern als natürliche Ressource unwiederbringlich verbraucht sind. Möglichkeiten dem zu begegnen, ist einerseits den Verbrauch zu reduzieren. Und andererseits die Betriebseffizienz zu verbessern: Energie einsparen und erneuerbare Energien konsequent zu nutzen, zum Beispiel Erdwärme, Windkraft, Holz- oder Sonnenenergie.
Nachhaltig Bauen heisst heute aber auch, für die Treibhausgasemissionen viel breiter Verantwortung zu übernehmen. Um ein Gebäude und seine Umwelteinwirkungen ganzheitlich beurteilen zu können, ist es üblich geworden, alle Prozesse einzubeziehen, die mit dem Gebäude in Zusammenhang stehen: von der Rohstoffgewinnung für zum Beispiel Metallfenster, dem Rohstoff-Transport zum Hersteller, dem Energieverbrauch bei der Produktion und beim Einbauen, später in der Nutzung des Gebäudes, bis zum Rückbau, der Entsorgung beziehungsweise dem Recycling. Jedes Gebäude und alle darin verbauten Materialien haben demnach eine ökologische Spur, ein klimarelevantes Vor- und Nachleben. Der in diesem Lebenszyklus entstehende Energieverbrauch, die sogenannte graue Energie, bestimmt den CO2-Fussabdruck entscheidend mit. Lokale Lieferketten sind dadurch erneut wichtig geworden.
Wer also eine Immobilie entwickelt, baut und betreibt kann Einfluss nehmen, wie der zirkuläre Klimafussabdruck sein wird. Der Bundesrat hat diese Chance aufgegriffen und am 27. Januar 2021 für die Schweiz in einer langfristigen Klimastrategie festgelegt: Netto-Null-Ziel bis im Jahr 2050. Darin sind strategische Grundsätze formuliert, die das klimapolitische Handeln in der Schweiz in den kommenden Jahren anleiten und prägen sollen. Bis zum Jahr 2050 soll das Land klimaneutral zu werden. Das bedeutet: CO2-Emissionen in die Atmosphäre und die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre müssen sich ausgleichen – daher die schlagwortartige Bezeichnung Netto-Null.
Netto-Null beim Bauen
Gesetzliche Grundlage für die Netto-Null-Vorgabe ist das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz (KlG). Darin werden die Auswirkungen des Klimawandels durch rechtliche Vorgaben gestaltet. Dieses Gesetz bestimmt in Artikel 10, dass unter anderem der Bund eine Vorbildfunktion wahrnimmt. «Die zentrale Bundesverwaltung muss bis zum Jahr 2040 mindestens Netto-Null-Emissionen aufweisen», so Art. 10 Abs. 2 KlG.
Das Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, Bauherrschaft von Gebäude D, agiert daher vernetzt: im Ressourcen- und Umweltmanagement der Bundesverwaltung (RUMBA), in der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) Fachgruppe Nachhaltiges Bauen oder in der Beschaffungskonferenz des Bundes (BKB) Fachgruppe Nachhaltige Beschaffung. „Das BBL ist entschlossen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und als Vorbild für Wirtschaft und Öffentlichkeit voranzugehen“, sagt Pierre Broye, Direktor des BBL, im Nachhaltigkeitsbericht 2022 der Bundesbehörde. Daher integriert das BBL Nachhaltigkeit in seine Geschäftsprozesse, beispielsweise indem es bei Neubauten und Sanierungen in der Schweiz den Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) als Planungsgrundlage verwendet.
Netto-Null beim Bauen ist also rechtlich klar geregelt. Wie kann bis 2040 das ambitionierte Ziel erreicht werden, die Treibhausgasemissionen zu vermindern? Mit Energieeinsparmassnahmen. Aber nicht nur. „Der Spielraum ist vor allem zu Beginn des Planungsprozesses gross und nimmt mit zunehmender Präzisierung des Projekts ab, da die Gebäudeform und die Gebäudegrösse neben der Bauweise die wichtigsten Einflussgrössen darstellen“, sagt Patricia Bürgi, Architektin und Spezialistin für nachhaltiges Bauen bei CSD Ingenieure AG. Deshalb sei die Berücksichtigung und Optimierung der Umweltauswirkungen bereits in der Vorstudien- und Vorprojektphase, etwa bei Wettbewerben oder Studienaufträgen, von grosser Bedeutung. Baufachleute und Planende sollten bei der Dimensionierung eines Bauwerks ansetzen, bei seiner Kompaktheit, Form und Tragstruktur. Das Konstruktionsprinzip sollte Systemtrennung, Schichtung und Verbindungen beinhalten. Und drittens sollten für die Materialien von Struktur und Oberflächen mineralische und biogene Baustoffe eingesetzt werden, so Patricia Bürgi. Eine Grundfrage vor jedem Bauvorhaben laute allerdings: Muss neu gebaut werden oder kann Bestehendes erweitert werden?
Etablierte Konzepte für gute Planung
Der Hebel ist also in erster Linie eine sehr gute Planung, die sich an den etablierten Konzepten zur Verbesserung der Ressourceneffizienz orientiert. Der SIA-Effizienzpfad Energie (SIA 2040:2017), die Gebäudestandards Minergie-ECO und der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) haben Richtwerte definiert, um die CO2 Emissionen bei der Gebäudeerstellung zu verringern. Diese gelten als Standards, wenn ein Gebäude ressourceneffizient errichtet werden soll.
Der Klimafussabdruck für den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes setzt sich damit sinnvollerweise aus einer CO2-Bilanz zusammen, die direkte betriebsbezogene sowie indirekte energie- und produktionsbedingte Treibhausgasemissionen erfasst. Das erfordert einheitliche Bilanzierungsstandards wie verbindliche Energienachweise und freiwillige Kennzeichnung von THG-Emissionen. Und setzt den frühzeitigen Austausch zwischen Bauherrschaft, Architek/-innen, Bauphysiker/-innen und dem zukünftigen Betreiber voraus, um die Weichen für ein Projekt gut zu stellen. Zum Bespiel als Teil einer Wettbewerbsausschreibung, so dass Innovationen in die Ergebnisse der Wettbewerbsprojekte einfliessen können.
Repräsentative Emissionsdaten für globale Fertigungsprozesse und Wertschöpfungsketten für Baustoffe, Gebäudetechnik, Energiesysteme und Transporte liefern wissenschaftliche Datenbanken wie die Ecoinvent-Datenbank, einem Spin-off aus der Eidgenössisch Technischen Hochschule ETH in Zürich. Sie bildet die Basis für die «Ökobilanzdaten im Baubereich», die von der Bundesverwaltung departementsübergreifend (UVEK, KBOB) bewirtschaftet wird, so Paul Knüsel in transfer 1/2023.
Der Kreislauf von Treibhausgas
Die Zahlen aus der Datenbank liefern auch Ansatzpunkte für Neuentwicklungen. Zukünftig sollen Technologien angewendet werden, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen und die Wirkung der verbleibenden Treibhausgase ausgleichen.
Der Gebäudesektor ist für 37 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nicht mehr Bauen ist weder realistisch noch praktikabel. Potenzial für THG-Reduktion haben neben Energieeinsparung, Materialwahl und Emissionsreduktion im Lebenszyklus innovative biologische und technische Verfahren, sogenannte Negativemissionstechnologien (NET). Hinter dem Begriff steht eine pragmatische Rechnung: Negative Emissionen sollen bereits ausgestossenes Treibhausgas ausgleichen. «Gemeint sind Verfahren die helfen, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern und dauerhaft in zum Beispiel Böden oder in Gestein zu speichern. Mithilfe von Waldaufforstung und Moorflächen sind heute schon biologische Speicherverfahren vorhanden», sagt Patricia Bürgi. Auf NET ruhen grosse Hoffnungen. Sie gelten als wichtiges Standbein der Schweizer Klimapolitik.